Territoriale Beschränkung des Verbietungsrechts bei sprachabhängiger Verwechslungsgefahr (EuGH C-223/15 – Combit vs Commit)
Die Unionsmarke ist ein einheitlicher Schutztitel für das gesamte Territorium der EU. Einerseits muss sie als Ganzes die Schutzvoraussetzungen erfüllen. Insbesondere muss sie in jedem relevanten Sprachraum der EU schutzfähig sein. Andererseits ist sie als Ganzes verletzt oder nicht verletzt. Weil aber der Schutzbereich der Marke durch das Kriterium der Verwechslungsgefahr definiert ist, spielt das Sprachverständnis eine entscheidende Rolle. Dieses ist aber nicht einheitlich. Was bedeutet das für das Unterlassungsurteil?
Das deutsche Unternehmen Combit Software GmbH hat das Wort „combit“ als deutsche Marke und als Unionsmarke für Waren und Dienstleitungen im Informatikbereich zur Eintragung gebracht. Gestützt auf diese Marken klagte Combit Software das israelische Unternehmen Commit Business Solutions Ltd ein, weil letzteres über das Internet Software unter der Marke „Commit“ vertrieb. Combit beantragte, der Commit Business Solutions die Benutzung von „Commit“ einerseits in der EU und jedenfalls in Deutschland zu verbieten wegen Verletzung der Unionsmarke (Hauptantrag) respektive der deutschen Marke (Hilfsantrag).
Das Landgericht Düsseldorf wies den Hauptantrag ab, hiess aber den Hilfsantrag gut. Im Berufungsverfahren stellte das Oberlandesgericht fest, dass für deutschsprachige Durchschnittsverbraucher eine Verwechslungsgefahr bestehe, nicht aber für englischsprachige. Der englischsprachige Durchschnittsverbraucher könne nämlich den begrifflichen Unterschied zwischen dem englischen Verb „to commit“ einerseits und dem aus „com“ für „Computer“ und „bit“ für „binary digit“ zusammengesetzten „combit“ andererseits leicht verstehen. Die klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken werde daher durch die begriffliche Verschiedenheit neutralisiert.
Angesichts dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht dem EUGH die Frage vorgelegt, wie mit dem Unterlassungsbegehren umzugehen sei, wenn für gewisse Sprachregionen der EU eine Verwechslungsgefahr bestehe, für andere aber nicht.
Der EUGH entscheidet Folgendes:
Das Unionsmarkenrecht schützt den Inhaber einer Marke vor jeder Benutzung, die die herkunftshinweisende Funktion dieser Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte.
Weil die Unionsmarke ein einheitliches Recht ist, kann sie nur als Ganzes verletzt sein. Wenn also nur schon für einen Sprachraum eine Verwechslungsgefahr besteht, dann muss das Gericht die Markenverletzung bejahen. Dies ist nicht zuletzt eine Konsequenz der ständigen Rechtsprechung, wonach die Eintragung einer jüngeren Marke schon dann versagt werden kann, wenn sie nur für einen Teil der Union, z.B. für einen Mitgliedstaat, mit einer älteren Marke verwechselbar ist.
Eine direkte Folge der Feststellung einer Markenrechtsverletzung ist, dass die Fortsetzung der verletzenden Handlungen zu verbieten ist. Weil das Unionsmarkenrecht einheitlich ist, muss sich das Verbot der verletzenden Handlung im Prinzip auch auf das ganze Gebiet der Union erstrecken.
Allerdings kann das Gericht nicht Handlungen verbieten, die in einem Teil der Union als rechtmässiger Handel zu betrachten sind. Ein Verbot ist deshalb insofern zu begrenzen, so dass in Teilgebieten, in denen keine Verwechslungsgefahr besteht, der rechtmässige Handel möglich bleibt.
Wenn das Gericht ein Teilgebiet der Union aus dem Verbot ausnimmt, dann muss es diesen Teil genau definieren. Die Angabe „englisch-sprachiges Gebiet“ ist nicht ausreichend.
Anmerkung: Der EUGH versucht mit diesem Entscheid den grundsätzlichen Widerspruch zwischen der Vielsprachigkeit der EU und der Einheitlichkeit des Rechts zu überbrücken. Weil der Schutzbereich der Marke von der „Muttersprache des Verkehrsteilnehmers“ abhängt und damit vom Ort der Benutzung der Marke, kann die Unionsmarke nicht in der ganzen EU die gleiche Wirkung haben. Der Grundsatz des einheitlichen Rechts musste im vorliegenden Fall durchbrochen werden, auch wenn der EUGH dies bestreitet.