Supreme Court verneint Gutglaubensschutz gegen indirekte Patentverletzung bei vermuteter Patentnichtigkeit (Commil v. Cisco)
Wer an einen Dritten ohne Benutzungsrecht ein Gerät liefert, das ein patentgeschütztes Verfahren ausführt, kann haftbar gemacht werden wegen Anstiftung zur Patentverletzung (induced infringement). Die Haftbarkeit hängt davon ab, dass der Lieferant vom Patent weiss und sich bewusst ist, dass die Benutzung des Geräts zu einer Patentverletzung führt. Kann man sich verteidigen mit dem Argument, man habe das Patent als nichtig erachtet?
Commil USA ist Inhaberin eines Verfahrenspatents zur Realisierung eines kurzreichweitigen WLAN. Das patentierte Verfahren schafft eine schnellere und zuverlässigere Kommunikation zwischen den mobilen Geräten und den Basisstationen.
Aus diesem Patent ging Commil gegen Cisco wegen Patentverletzung vor. In erster Instanz wurde Cisco wegen direkter Patentverletzung durch die Lieferung von Geräten zu Schadenersatz von $3.7 Mio. verurteilt. Der ebenfalls eingeklagte Tatbestand der indirekten Verletzung wurde im ersten Prozess zwar abgelehnt. Commil strebte daher einen zweiten Prozess an.
Kurz vor dem zweiten Prozess stellte Cisco beim US-Patentamt einen Antrag auf Prüfung der Nichtigkeit des Patents. Die amtliche Prüfung führte jedoch nicht zum Widerruf, sondern zur Bestätigung des Patents.
Im zweiten Prozess wurde Cisco wegen Anstiftung zur Patentverletzung (induced infringement) zu einem Schadenersatz von $63.7 Mio. verurteilt. Cisco hatte vergeblich eingewendet, sie wäre im guten Glauben gewesen, das Patent sei nichtig, und hätte daher die Voraussetzungen für die Anstiftung nicht erfüllt. Wenn das Patent nichtig sei, könne keine Patentverletzung vorliegen und folglich könne Cisco wegen der geglaubten Patentnichtigkeit nicht gewusst haben, dass eine Verletzung begangen würde.
Cisco ging in Berufung beim CAFC.Dieser hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies das Gericht an, die Beweise von Cisco betreffend geglaubter Nichtigkeit zu berücksichtigen. Ein nichtiges Patent könne man nicht verletzen. Es laufe auf dasselbe hinaus, ob man gutgläubig von der Nichtigkeit des Patents oder der Nichtverletzung ausgehe.
Der U.S. Supreme Court griff den Fall auf und widersprach dem CAFC. Der Einwand, man sei guten Glaubens gewesen, das Patent sei nichtig, schützt nicht vor der Haftung wegen Anstiftung zur Patentverletzung.
Während bei der direkten Patentverletzung die Absicht des Verletzers unerheblich ist, spielt sie bei der Anstiftung zur Patentverletzung eine Rolle. Gemäss dem kurz zuvor ergangenen Supreme Court Entscheid „Global-Tech Appliances v. SEB” kommt es nämlich darauf an, dass der Beklagte vom Patent Kenntnis hatte und dass er wusste, dass die von ihm induzierten Handlungen von Dritten patentverletzend sind.
Der Supreme Court weist darauf hin, dass Gültigkeit des Patents und Patentverletzung zwei grundsätzlich verschiedene Fragestellungen sind. Solange das Patent nicht amtlich oder gerichtlich vernichtet ist, gilt die Annahme der Gültigkeit (presumption of validity). Zudem sind die Anforderungen zur Vernichtung relativ hoch, nämlich „clear and convincing evidence“. Diese Anforderung würde ausgehöhlt mit dem Gutglaubensschutz bezüglich Patentnichtigkeit.
Zudem gibt es einen wichtigen praktischen Grund, den Gutglaubensschutz nicht zuzulassen. Wer glaubt, das Patent sei nichtig, hat die Möglickeit, das Patent in verschiedensten Verfahren überprüfen zu lassen. Wäre der Gutglaubensschutz betreffend Patentnichtigkeit zulässig, würde jeder, der wegen Anstiftung zur Patentverletzung eingeklagt ist, sich mit tausend Argumenten zur geglaubten Nichtigkeit einhüllen. Das würde den Prozess noch aufwändiger machen und die Grenze zwischen geglaubter Nichtigkeit und tatsächlichen Nichtigkeitsgründen verwischen.
Mit diesem Urteil sind diejenigen, die wegen Anstiftung zur Patentverletzung angegriffen werden, gehalten, das Patent aktiv zu Fall zu bringen.