Rückruf von verletzenden Produkten
Ein Immaterialgüterrecht wie eine Marke oder ein Patent verleiht dessen Inhaber einen Unterlassungsanspruch gegenüber Dritten, welche Produkte herstellen, anbieten oder vertreiben, die in den Schutzbereich des Immaterialgüterrechts eingreifen. Spricht ein Gericht ein entsprechendes Verbot aus, stellt sich die Frage, welche Handlungen der betroffenen Partei verboten werden und welche Handlungen sie aktiv ausführen muss, um verletzende Handlungen so schnell wie möglich zu unterbinden. Der BGH hat sich mit einem Fall zum Lauterkeitsrecht befasst, wo sich genau diese Fragen stellten.
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem einer Partei von der Vorinstanz vorläufig verboten wurde, Spirituosen unter der Bezeichnung „RESCUE TROPFEN“ oder „RESCUE NIGHT SPRAY“ zu bewerben und/oder zu vertreiben.
Die obsiegende Klägerin hat daraufhin Testkäufe durchgeführt und festgestellt, dass sie auch einen Monat nach der gerichtlichen Anordnung noch entsprechende Produkte erwerben konnte.
Es handelte sich dabei um Waren, die vor der gerichtlichen Anordnung von der verurteilten Partei an Apotheken ausgeliefert worden waren. Eine Rückgabe dieser Waren hatte sie nicht gefordert.
Es stellte sich nun die Frage, ob die Unterlassungsverpflichtung automatisch auch eine Pflicht eingeschlossen hat, Distributoren zur Rückgabe von verletzenden Produkten aufzufordern, welche bereits vor dem Urteil an diese ausgeliefert wurden.
Ebenfalls bewarb die unterlegene Partei nach dem Urteil Produkte unter den Bezeichnungen „RESCUE SPRAY“ und „RESCUE NIGHT TROPFEN“ (anstelle der vom Verbot wörtlich erfassten Bezeichnungen „RESCUE TROPFEN“ und „RESCUE NIGHT SPRAY“) – auch dagegen wendete sich die Klägerin.
Es stellte sich also die weitere Frage, ob ein Verbot auch abgewandelte Handlungen erfassen kann, die nicht identisch dem Wortlaut des Verbots entsprechen.
Der BGH stellte fest, dass
„die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, mangels abweichender Anhaltspunkte regelmässig dahin auszulegen ist, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.“
Somit kann ein Verbot implizieren, dass Handlungen vorzunehmen sind, die zur Beseitigung der Verletzung geboten erscheinen und verhältnismässig (also insbesondere möglich und zumutbar) sind. Dies schliesst nach Ansicht des BGH die Verpflichtung ein, verletzende Produkte aus der Distributionskette zurückzurufen, auch wenn die verpflichtete Partei keine rechtliche Handhabe besitze, um die Rückgabe auch durchzusetzen.
Was die Abwandlung der Produktenamen betrifft, stellt der BGH fest, das Verbot erstrecke sich auch auf Abwandlungen, falls in diesen das Charakteristische der Verletzung zum Ausdruck komme. Im vorliegenden Fall, lag das Charakteristische des Verbotes in der Bezeichnung „RESCUE“ – daran änderte aber die Abwandlung nichts.
Der durch ein Verbot Verpflichtete muss somit – auch wenn dies im Urteil nicht explizit festgehalten ist – zumutbare und mögliche Handlungen vornehmen, um zukünftige Rechtsverletzungen zu vermeiden. Das Verbot lässt sich zudem nicht einfach dadurch umgehen, dass Abwandlungen vorgenommen werden, die zwar wörtlich nicht mehr vom Verbot erfasst werden, in denen aber das Charakteristische der Rechtsverletzung weiterhin zum Ausdruck kommt. Es ist davon auszugehen, dass dieselben Grundsätze auch bei immaterialgüterrechtlichen Verbotsansprüchen anzuwenden sind.
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