Prüfung der Zulässigkeit von Anspruchsänderungen (Oberstes Volksgericht Xingtizi 21/2013)

China | 29.04.2016

Der Grundsatz, dass die Anmeldeunterlagen während des Prüfungsverfahrens geändert werden dürfen, gilt auch in China. Gemäss Art. 33 des chinesischen Patentgesetzes dürfen Änderungen aber nicht über den Umfang der ursprünglichen Beschreibung und Ansprüche hinausgehen. In einem kürzlichen Entscheid ist das Oberste Volksgericht der strengen Praxis der Beschwerdekammern entgegengetreten und hat zudem eine unterschiedliche Behandlung von Änderungen an erfinderischen und an nicht-erfinderischen Merkmalen empfohlen.

Der Anmelder hatte in den Ansprüchen drei verschiedene Änderungen vorgenommen. Zum ersten hatte er im Anspruch 1 „kreisförmige Bolzen Löcher (circular bolt bores)“ in „kreisförmige Löcher (circular bores)“ geändert. Weiter hatte er in Anspruch 6 die Terminologie „im wesentlichen kreisförmiges Loch“ umgeschrieben als „ein Loch, durch welches sich ein Bolzen erstreckt“. Und schliesslich hatte er in Anspruch 2 „formen (molding)“ geändert in „pressen (pressing)“

Die Beschwerdekammer des chinesischen Patentamts wies die Patentanmeldung zurück, weil alle drei Änderungen über den ursprünglich offenbarten Inhalt der Anmeldung hinausgehen würden.

Das Oberste Volksgericht erachtet dagegen eine der drei Änderungen als zulässig und hebt das vorinstanzliche Urteil auf.

Zunächst stellt das Gericht fest, dass Artikel 33, welcher bestimmt, dass Änderungen nicht über den in den ursprünglichen Unterlagen spezifizierten Umfang der Beschreibung und Ansprüche hinausgehen dürfen, eine Balance zwischen den Interessen des Erfinders und denjenigen der Öffentlichkeit schaffen soll. Einerseits soll der Erfinder alle Möglichkeiten ausschöpfen können, um seinen Beitrag zum Stand der Technik schützen zu können. Andererseits soll aber die Öffentlichkeit sicher sein, dass die Änderung nicht weiter geht als die Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung.

Grundsätzlich ist Artikel 33 so zu verstehen, dass alle Information über die Erfindung angegeben in der ursprünglichen Anmeldung zu berücksichtigen ist und zwar im Sinn einer fixierten Sammlung an Informationen. Der Offenbarungsgehalt der Anmeldung ist nicht nur in den Worten und Zeichnungen der Anmeldung verkörpert, sondern auch im Gehalt, den der Fachmann aus der Beschreibung, den Zeichnungen und den Ansprüchen entnimmt.

Im vorliegenden Streitfall haben die Begriffe „kreisförmiges Bolzen Loch (circular bolt bore)“ und „kreisförmiges Loch (circular bore)“ tatsächlich unterschiedliche Bedeutungen. Deshalb ist die Änderung des Anspruchs 1 nicht zulässig.

In Anspruch 6 ist das „kreisförmige Loch (circular bore)“ bei sorgfältiger Betrachtung schon eingeschränkt auf „circular bolt bore“. Dieser letztgenannte Begriff ist bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthalten. Somit ist die fragliche Terminologie „ein Loch, durch welches sich ein Bolzen erstreckt“, in Anspruch 6 insgesamt zulässig.

Zur dritten Änderung ist zu sagen, dass „formen (molding)“ im Bereich der Mechanik bedeutet, dass mit Hilfe von Formen (molds) oder von Form-Analogien während des Pressprozesses geformt wird. Demgegenüber bedeutet „pressen“ das Herstellen mittels Pressen. Das Pressen erfordert aber nicht zwangsläufig Formen (molding). Es könnte auch Schmieden oder Stanzen umfassen. Damit ist „pressen (pressing)“ ein übergeordnetes Konzept im Vergleich zu „formen (molding)“. Die Änderung des Anspruchs 2 ist folglich nicht zulässig.

Das Gericht stellt zum Schluss noch allgemeine Überlegungen an, wonach es gerecht wäre, zwischen Änderungen an „erfinderischen Merkmalen“ und an „nicht-erfinderischen Merkmalen“ des Anspruchs zu unterscheiden. Wenn ein Patent nur wegen Änderungen bei „nicht-erfinderischen Merkmalen“ zurückgewiesen wird, ist das weder gerecht, noch entspricht es der Absicht des Artikels 33. Deshalb soll das Patentamt aktiv nach Möglichkeiten suchen, im Rahmen des Artikels 33 Änderungen zugunsten des tatsächlichen technischen Beitrags zu ermöglichen, ohne das Prinzip des first-to-file Systems zu verletzen. Als Beispiel nennt das Gericht ein Überprüfungsverfahren, das vor der Patenterteilung oder nach der Patenterteilung unzulässige Änderungen rückgängig gemacht werden können auf Basis der ursprünglichen Unterlagen, um so den schutzfähigen Erfindungen auch einen tatsächlich wirksamen Schutz zu verschaffen.

Anmerkung: Das Urteil bestätigt an sich die strenge Praxis des chinesischen Patentamts. Nur wenn Änderungen klar und eindeutig durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt sind, sind sie zulässig. Der Hinweis des Gerichts, spezielle Verfahren zur Korrektur von erteilten Patenten vorzusehen, hat durchaus seine Berechtigung, da es in China nur das aufwändige Nichtigkeitsverfahren gibt, dagegen keine speziell an Korrekturanträge angepasste, einfache Verfahren.

Links: hetong.cnki.net/law/detail/detail.aspx

Teilen Sie diesen Artikel
zurück
To top