Patentfähigkeit einer grafischen Benutzerschnittstelle (GUI)
Die Patentfähigkeit eines Verfahrens zur Darstellung von Informationen kann sich aus einer speziellen Darstellungsart ergeben, die Rücksicht nimmt auf die Eigenschaften der menschlichen Wahrnehmung und dadurch die Aufnehmbarkeit der Information ermöglicht oder verbessert. Dagegen lässt sich aus dem eigentlichen Inhalt der dargestellten Information in der Regel nichts für die Patentfähigkeit ableiten.
Inwiefern Verfahren der Informationstechnologie patentierbar sind, ist noch nicht vollständig geklärt – und aufgrund der technischen Entwicklung stellen sich auch immer neue Fragen. Höchstrichterliche Urteile in Bezug auf die Patentfähigkeit von Entwicklungen in diesem Bereich sind deshalb stets willkommen, zumindest dann, wenn sie zu einer erhöhten Rechtssicherheit für Anmelder und für mit IT-Patenten konfrontierte Dritte beitragen.
In diesem Zusammenhang ist die Patentierbarkeit von grafischen Benutzerschnittstellen (GUIs) ein Thema, welches in den letzten Jahren gerade wegen der rasanten Verbreitung von Touchscreens vermehrt aufgekommen ist und welches in den nächsten Jahren sicherlich aktuell bleiben wird (Stichwort „Virtual Reality“). Der deutsche Bundesgerichtshof hat in einem neueren Urteil über die Patentierbarkeit einer solchen Schnittstelle befunden (LINK).
Gegenstand des entsprechenden europäischen Patents EP 1 474 927 B1 ist ein Verfahren zum Anzeigen eines Bild-Streams, wobei dieser Stream von einer verschluckbaren Kapsel empfangen wird und wobei auf einem Bildschirm gleichzeitig zwei Teil-Bild-Streams dargestellt werden, die verschiedene Bilder des originalen Streams umfassen. Dies ermögliche (bei entsprechender Übung des Operateurs) eine effektivere Auswertung des originalen Streams.
Der Bundesgerichtshof kommt zunächst zum Schluss, bei der gleichzeitigen Anzeige der beiden Teil-Bild-Streams handle es sich nicht um eine (vom Patentschutz ausgeschlossene) reine „Wiedergabe von Information“. Das Verfahren habe zwar die Anzeige von Informationen zum Gegenstand, es gehe aber nicht darum, welche Information (welcher Inhalt) dargestellt oder hervorgehoben werde, sondern auf welche Weise die Darstellung erfolge. Namentlich befasse sich die Erfindung damit, wie Bildinhalte in einer Weise präsentiert werden können, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmässig zu gestalten. Es gehe hier somit um die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln, und die entsprechenden Merkmale seien bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen. Weil aus dem Stand der Technik keine simultane Darstellungen zweier Teil-Bild-Streams hervorgingen, sei der Gegenstand neu und erfinderisch.
Das Urteil ist insofern interessant, als darin klar festgehalten ist, dass sich technische Merkmale zwar in der Regel nicht aufgrund des Inhalts der gezeigten Information ergeben, dass aber eine spezifische Darstellungsart, welche die Besonderheiten der menschlichen Wahrnehmung berücksichtigt, die Patentfähigkeit (mit)begründen kann.
Es ist zu erwarten, dass gerade im Bereich „Virtual Reality“ diverse Darstellungsarten und -verfahren zum Patent angemeldet werden, bei welchen solche Merkmale über die Patentierbarkeit letztlich entscheiden werden.
Links: juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py