Haftung des ausländischen Lieferanten (OLG Karlsruhe 6U7/14 – Abdichtsystem)
Normalerweise ist nur derjenige für Patentverletzungen im patentgeschützten Inland haftbar, der ins Inland anbietet oder liefert. Es gibt aber Situationen, in denen eine im Ausland stattfindende Handlung auf das Inland patentverletzende Auswirkungen hat. Unter welchen Voraussetzungen ist beispielsweise ein im Ausland ansässiger Zulieferer an einen im Ausland ansässigen Automobilhersteller haftbar, wenn die Fahrzeuge des Automobilherstellers auch in Deutschland auf dem Markt sind?
Die Patentinhaberin, ein japanisches Unternehmen, ist in erster Instanz mit Erfolg gegen das beklagte Unternehmen wegen Lieferung von patentverletzenden Reifen-Repair-Kits vorgegangen. Das Landgericht hat die Beklagte zu Unterlassung, Schadenersatz und Rückruf aus dem inländischen Vertriebsnetz verurteilt.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihrerseits Anschlussberufung erhoben und den Antrag gestellt, dass auch die Lieferungen an den ausländischen Automobilhersteller vom erstinstanzlichen Urteil erfasst sein sollen. Die Beklagte habe gewusst, dass dieser Hersteller auch nach Deutschland liefere.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) weist die Berufung der Beklagten ab und bestätigt insoweit das erstinstanzliche Urteil. Die Anschlussberufung erachtet es als zulässig, aber als sachlich nicht begründet.
Das OLG fasst die höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend zusammen, dass der im Ausland ansässige Lieferant für Lieferungen an einen ausländisches Abnehmer nur dann wegen Patentverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn er Kenntnis davon hat, dass der ausländische Abnehmer bestimmungsgemäss (direkt oder indirekt) auch ins Inland liefert. Damit verursacht der Lieferant den patentverletzenden inländischen Vertrieb bewusst und willentlich mit. Es reicht dagegen nicht, wenn der Lieferant den Vertrieb im Inland lediglich für möglich hält und sich damit abfindet. Ohne die Kenntnis des Lieferanten fehlt es am hinreichenden Inlandbezug.
Im vorliegenden Streitfall hat die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die Beklagte Kenntnis hatte von den Lieferungen des Automobilherstellers nach Deutschland. Dass der Beipackzettel auch eine deutschsprachige Anleitung enthält, ist nicht zwingend als Kenntnis zu werten. Es kann dafür auch andere Gründe geben, wie z.B., dass das Produkt auf zulässigen anderen Wegen nach Deutschland gelangen kann und deshalb hier verständlich sein muss. Auch die Tatsache, dass die Beklagte auf ihrer Homepage bewirbt, dass sie das Produkt allen global tätigen Automobilherstellern anbietet. Dies weist höchstens auf die Möglichkeit hin, aber nicht auf die tatsächliche Kenntnis.
Somit fallen die Lieferungen an den ausländischen Automobilhersteller nicht unter das Urteil des Landgerichts.
Anmerkung: Das Urteil zeigt einerseits, dass sich ein im Ausland ansässiger Lieferant von patentgemässen Produkten nicht einfach durch „indirekte“ Lieferungen ins patentgeschützte Inland aus der Verantwortung einer deutschen Patentverletzung ziehen kann. Andererseits macht das Urteil klar, dass im Ausland stattfindende Handlungen nur dann zu einer Haftung wegen Patentverletzung in Deutschland führen können, wenn der ausländische Lieferant weiss, dass der ausländische Abnehmer, das Produkt ins patentgeschützte Inland liefern wird.
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