Gültigkeit und Schutzbereich von Erzeugnisansprüchen mit Verfahrensschritten
In einem Erzeugnisanspruch ist das zu patentierende Produkt grundsätzlich durch seine konstruktiven Merkmale zu definieren. Es kommt aber immer wieder vor, dass in einem Produktanspruch Schritte des Herstellungsverfahrens enthalten sind. Der japanische Supreme Court hat nun kürzlich über die Zulässigkeit und den Schutzbereich solcher Ansprüche entschieden und dabei eine Abkehr von der bisherigen Praxis erzwungen.
Teva Pharmaceuticals hatte in Japan ein Patent für Pravastatin Natrium erteilt erhalten. Der Patentanspruch war als Erzeugnisanspruch formuliert, der neben Angaben zur Zusammensetzung auch Schritte zur Herstellung des Produkts enthielt:
„Pravastatin in which the mixing amount of the pravastatin lactone is less than 0.5 wt%, pravastatin sodium contamination of epiprava is less than 0.2% by weight, prepared by a process comprising the following steps:
a) forming a concentrated organic solution of pravastatin;
b) precipitating pravastatin as an ammonium salt thereof;…“
Teva klagte Merck wegen Patentverletzung ein. Das angegriffene Produkt „KH“ wies die konstruktiven Merkmale ebenfalls auf, war aber nicht mit dem Schritt a) hergestellt worden.
Der japanische IP High Court wies die Klage von Teva ab. Der Anspruch sei nicht verletzt, weil der Verfahrensschritt a) nicht benutzt war. Wenn nämlich ein Anspruch für ein Erzeugnis auch Schritte zur Herstellung des Erzeugnisses enthalte, sei er im Normalfall auf Erzeugnisse beschränkt, die nach demselben Verfahren hergestellt seien. Diese Schutzbeschränkung trete nur dann nicht ein, wenn Umstände existierten, die es verunmöglichten, das Produkt auf andere Weise als mit dem Herstellungsverfahren zu definieren.
Der japanische Supreme Court hat diese Entscheidung aufgehoben und zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Er hat zwei Punkte hervorgehoben:
Erstens: Ein Produktanspruch schützt das Produkt grundsätzlich unabhängig vom Herstellungsverfahren. Eine Patentverletzung liegt daher auch dann vor, wenn das angegriffene Produkt auf andere Weise hergestellt ist als im geschützten Erzeugnisanspruch angegeben. Entscheidend ist, dass das angegriffene Produkt dieselben konstruktiven Merkmale hat, wie das patentierte Produkt.
Zweitens: Ein Produktanspruch ist in der Regel unklar, wenn er Merkmale des Herstellungsverfahrens enthält. Normalerweise ist nämlich nicht klar, welche konstruktiven Merkmale aus einem Herstellungsverfahren resultieren. Ein unklarer Anspruch verstösst gegen das Klarheitserfordernis im Patentgesetz und ist daher nichtig. Nur wenn der Patentinhaber nachweisen kann, dass Umstände existieren, die es zum Anmeldezeitpunkt unmöglich oder hochgradig unpraktisch machen, das Produkt nicht mit Schritten des Herstellungsverfahrens zu charakterisieren (product-by-process), ist er zuzulassen. Als Beispiel für „hochgradig unpraktisch“ erwähnt der Supreme Court den Fall, dass die strukturellen Merkmale nur mit unerhörtem wirtschaftlichem oder zeitlichem Aufwand ermittelt werden können, was dem praktischen Erfordernis einer zügigen Anmeldung entgegensteht.
Der Entscheid erweitert den Schutz aller gerechtfertigten Produktansprüche mit Verfahrensmerkmalen, setzt aber eine neue und hohe Hürde für die Zulässigkeit solcher Product-by-Process Ansprüche. Viele in der Vergangenheit erteilte Erzeugnisansprüche dürften unter diesem Urteil wegen mangelnder Klarheit nichtig sein.