Einstweilige Verfügung trotz Post Grant Review beim USPTO (Tinnus v. Telebrands)

USA

Mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung kann der Patentinhaber ein sofortiges Verbot einer Patentverletzung erreichen. Einen solchen Antrag heisst das Gericht nur dann gut, wenn der Patentinhaber in der Sache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Kürzlich hatte das amerikanische Bundesgericht CAFC zu entscheiden, ob eine einstweilige Verfügung auch dann ausgesprochen werden kann, wenn das Patentamt ein Überprüfungsverfahren (PGR) eingeleitet hat, weil es das Patent als wahrscheinlich nichtig betrachtet.

Tinnus Enterprises produzierte und verkaufte das Spielzeug „Bunch O Ballons“, mit welchem eine Mehrzahl von Ballonen gleichzeitig mit Wasser gefüllt werden können. Für dieses Spielzeug wurde ein Patent erteilt (US 9,051,066).

Noch während die Patentanmeldung sich im Prüfungsverfahren befand, kam Telebrands mit einem fast gleichen Spielzeug „Balloon  Bonanza“ auf den Markt. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern führte dazu, dass der Preis in kurzer Zeit von ca. $ 17 auf $ 10 fiel.

Nach Erteilung des Patents reichte Tinnus Klage wegen Patentverletzung ein und beantragte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung.

Im Gegenzug strengte Telebrands ein Post-Grant Review (PGR) Verfahren beim US Patentamt an, um das Patent für nichtig erklären zu lassen. Das USPTO erklärte den PGR-Antrag als zulässig und eröffnete das PGR-Verfahren mit der Begründung, es erscheine mehr wahrscheinlich als nicht, dass alle Ansprüche nichtig seien angesichts der Antragsbegründung.

Noch während das PGR-Verfahren am Laufen war, hiess der Disctrict Court den Antrag auf einstweilige Verfügung gut und erliess ein vorläufiges Verkaufsverbot gegen Telebrands.

Dagegen erhob Telebrands Beschwerde beim Court of Appeals for the Federal Circuit (CAFC). Der District Court hätte die einstweilige Verfügung nicht gutheissen sollen, da das Patent – wie vom USPTO im Eintretensentscheid zum PGR Verfahren festgehalten – wahrscheinlich nichtig sei.

Der CAFC weist die Beschwerde ab und bestätigt das einstweilige Verkaufserbot.

Als erstes ruft der CAFC in Erinnerung, dass der Erlass eines vorsorglichen Verbots voll und ganz im Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts liegt. Deshalb wird im Fall einer Beschwerde gegen eine einstweilige Verfügung der Sachverhalt nicht neu beurteilt, sondern es wird nur geprüft, ob die Vorinstanz über ihren Ermessensspielraum hinaus gegangen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei zu überprüfen, ob das Gericht einen klaren Fehler bei der Gewichtung der entscheidungserheblichen Faktoren begangen hat oder ob es das Ermessen falsch ausgeübt hat aufgrund eines Rechtsfehlers oder aufgrund klar falscher Tatsachenbeurteilung. Die vier entscheidungserheblichen Faktoren sind:

(1)    Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Patentinhabers in der Sache

(2)    Nicht wieder gutzumachender Schaden, falls das vorsorgliche Verbot nicht gewährt wird

(3)    Abwägung der Härte für die Parteien (Balance of hardship),

(4)    Öffentliches Interesse.

Die Einwände von Telebrands gegen die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens sind nicht überzeugend: Der District Court hatte sich zu Recht nicht nur auf die am Produkt sichtbaren Merkmale, sondern auch auf die Bedienungsanleitung gestützt, in welcher das am Produkt nicht sichtbare Merkmal „Abschütteln der Ballone“ ausdrücklich als Möglichkeit erwähnt war. Im Übrigen hatte sich das Gericht auf die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs „attached“ gestützt bei der Bejahung der Verletzung, was vernünftig erscheint.

Die Einwände gegen die Rechtsbeständigkeit sind ebenfalls nicht überzeugend. Mangelnden Klarheit der Angabe „substantially filled“ ist erst im Beschwerdeverfahren kritisiert worden. Es ist nicht glaubwürdig, dass der Fachmann den Begriff „substantially filled“ nicht verstehen könnte, wenn er die Beschreibung und das Patenterteilungsverfahren studiert. Es liegt insofern keine klare Fehlbeurteilung vor. Auch die Tatsache, dass das PGR-Verfahren zu der Entscheidung geführt hat, dass die Ansprüche unbestimmt seien, führt nicht zur Aufhebung des vorsorglichen Verbots. Das Gericht ist nämlich nicht gebunden durch den Entscheid des Patentamts. Im Übrigen kann die Partei auch beim Disctrict Court den Antrag stellen, das Verbot zu überprüfen im Lichte des patentamtlichen Entscheids.

Auch der Einwand, das Patent sei naheliegend, überzeugt nicht. Die drei Entgegenhaltungen stammen aus verschiedensten Gebieten (Gastroenterologie, Gartenbewässerung) und es ist keine Grund angegeben worden, weshalb der Fachmann diese verschiedenen Lösungen so kombinieren soll, dass die Erfindung resultiert.

Die übrigen Einwände gegen die einstweilige Verfügung sind schliesslich auch nicht überzeugend. Der nicht wieder gutzumachende Schaden kann sich auch auf Umstände stützen, die vor der Patenterteilung liegen. Der bereits vor der Patenterteilung erfolgte Preiszerfall kann als Indiz dafür gelten, dass der Preis wieder erhöht werden könnte, wenn die verletzenden Produkte nicht auf dem Markt währen. Im Übrigen gibt es aber auch Fakten, die erst nach der Erteilung liegen, auf die sich das Gericht beim Abwägen der Interesse des Patentinhabers und des Verletzers gestützt hat, wie beispielsweise der Reputationsschaden aus einer Rezension im Internet, wonach das „Off-brand“ Produkt besser sei als das Original-Produkt.

Schliesslich ist auch an der Abwägung der Härte und des öffentlichen Interesse nichts zu kritisieren. Der District Court hat also zu Recht die relative Grösse der Unternehmen und das starke öffentliche Interesse an der Durchsetzung gültiger Patente zugunsten der Patentinhabers beurteilt.

Anmerkung: Gegenwärtig tritt das Patentamt aufgrund des grossen (politischen) Drucks fast immer auf den Nichtigkeitsantrag gegen ein Patent ein und leitet die Überprüfung ein. Das ist ein starker Gegenwind für den Patentinhaber bei der Durchsetzung seiner Patente. Indem der CAFC die Unabhängigkeit des District Courts gegenüber dem Patentamt betont hat, wird die Situation etwas entschärft. Einstweilige Verfügungen sind somit auch dann möglich, wenn ein PGR Verfahren am Laufen ist.