Eintragung nicht unterscheidungskräftiger Marken aufgrund bestehender Registrierungen (BVGer - GOLDBÄREN)

Schweiz

Gemäss eines fundamentalen und in der Schweizer Verfassung festgehaltenen Grundsatzes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Entsprechend sollten vergleichbare Fälle von der Justiz auch vergleichbar entschieden werden. In einem neueren Fall hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht entschieden, eine Marke trotz fehlender Unterscheidungskraft in das Register einzutragen – basierend ausschliesslich auf der bestehenden Registrierung mehrerer anderer (ähnlicherweise nicht unterscheidungskräftiger) Marken.

Vorgeschichte

Die deutsche Süsswarenherstellerin Haribo hat 2004 die Wortmarke "Goldbären" als internationale Marke Nr. 823 911 nach dem Madrider System für die Ware "Confiserie" in Klasse 30 registriert. Im August 2011 erfolgte eine Schutzausdehnung auf die Schweiz. Im Juli 2012 erliess das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine vorläufige Schutzverweigerung mit der Begründung, das Zeichen verweise auf Eigenschaften, namentlich Qualität, Farbe, Form und Natur der beanspruchten Waren. Der Konsument erfasse das Zeichen als Hinweis auf goldfarbene Produkte in Bärenform. Somit gehöre das Zeichen zum Gemeingut und sei nicht als Marke schutzfähig.

Die Markeninhaberin beschränkte daraufhin das Warenverzeichnis auf "Confiserie, à savoir bonbons gélifiés" ("Konfiserie, nämlich gelierte Bonbons"). Sie machte geltend, das Zeichen sei nicht beschreibend, weil Gold weder die Farbe noch einen Inhaltsstoff von Gummibonbons bilde, die Ware werde – im Gegensatz zu Schokoladeprodukten – auch nicht in Goldfolie verpackt. Ferner wies sie auf eine Reihe von bereits eingetragenen Marken mit Schutz in der Schweiz hin, die den Bestandteil "Gold" aufweisen und für Lebensmittel der Klasse 30 eingetragen wurden.

Das IGE hielt an seiner Auffassung fest und bestätigte die Schutzverweigerung. Dagegen erhob die Markeninhaberin Beschwerde an das Schweizer Bundesverwaltungsgericht.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hält im Bescheid zunächst unmissverständlich fest, das Zeichen "Goldbären" sei für die beanspruchten Produkte anpreisend, es verweise auf bärenförmige Produkte herausragender Qualität. Folglich sei das Zeichen dem Gemeingut zuzurechnen.

Eine ganze Reihe von vergleichbaren Marken für vergleichbare Produkte würden jedoch bereits Schutz in der Schweiz geniessen (z. B. "GOLDFISCHLI", "GOLDFISH" für "Backwaren und Konfiserie"; "GOLD STAR" für "Nahrungsmittel", "GOLD HERZ'L" u. a. für Konfiserie, "GOLDHASE" u. a. für Zuckerwaren, "GOLD BUNNY" für Schokolade, "Gold Reindeer" für Schokolade usw.). Alle diese Marken seien aufgrund des gleichen Konzepts gebildet, indem sie aus der Farbangabe "Gold" kombiniert mit einer Sach- oder Tierbezeichnung bestehen. In Bezug auf Schokoladeprodukte sprächen zudem sogar weitere Argumente gegen die Schutzfähigkeit, weil derartige Produkte oft in Goldfolie verpackt würden. Es sei somit nicht einzusehen, weshalb die bisherigen Marken Schutz geniessen würden, das vorliegende Zeichen aber nicht eingetragen werden könne. Die Voreintragungen würden zudem eine langjährige (bis ins Jahr 1980 zurückreichende) und bis heute andauernde Praxis des IGE belegen. Dem Interesse an Gleichbehandlung seitens der Hinterlegerin würden auch keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Schliesslich sei der Schutzumfang des Zeichens begrenzt.

Im Ergebnis kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, die Marke sei aufgrund des Gleichbehandlungsanspruchs zum Markenschutz zuzulassen.

Kommentar

Die Beurteilung des Gemeingutcharakters des Zeichens durch das Bundeverwaltungsgericht ist nicht überraschend, die Eintragung aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes aber schon eher. Aus dem Urteil gehen klar die Erfordernisse hervor, die erfüllt sein müssen, damit eine Marke in der Schweiz aufgrund bestehender Voreintragungen registriert wird:

1.       Langjährige und bis heute andauernde Praxis in Bezug auf (zeichen- und produktemässig) vergleichbare Waren.

2.       Keine explizite Praxisänderung zwischen der Eintragung der Voreintragungen und dem Prüfungszeitpunkt der Marke.

3.       Keine entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen.

4.       Keine Monopolisierung von einzelnen beschreibenden Begriffen (kein breiter Schutzumfang).

Der Punkt 4 scheint auf den Punkt der Freihaltebedürftigkeit zu verweisen: Es soll auf diesem Weg nicht ein Zeichen eingetragen werden, welches Dritten zur Benutzung freizuhalten ist.

Es stellt sich die Frage, wie gross der Wert einer Marke ist, die vom Bundesverwaltungsgericht explizit als beschreibend und damit als Teil des Gemeinguts eingestuft wird und die nur aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eingetragen wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Gericht zumindest den Schutzumfang der Marke als äusserst gering einstufen wird. Sobald ein minimaler Zeichenunterschied oder ein gewisser Warenunterschied vorliegt, dürfte ein Zeichen als nicht mehr verwechselbar mit der vorliegenden Marke eingestuft werden. Allenfalls stuft ein Gericht die Marke gar als nicht schutzfähig ein bzw. löscht die Marke, wenn eine entsprechende Widerklage erhoben wird.

Es lohnt sich also sicherlich, eine wichtige Marke – wenn irgend möglich – auf andere Weise eintragen zu lassen, gegebenenfalls unter Geltendmachung der Verkehrsdurchsetzung.

Die Haribo-Marke "Goldbären" hat in anderem Zusammenhang bereits eine erhebliche Bekanntheit erlangt. Haribo hat sich gestützt darauf gegen den "Lindt Teddy" von Lindt, ein in Goldfolie eingepacktes Schokoladeprodukt in (Teddy-)Bärenform, zur Wehr gesetzt. Der Deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat im Herbst 2015 entschieden, es liege keine Markenverletzung vor, prinzipiell deshalb, weil sich mit einer Wortmarke keine dreidimensionale Produktform monopolisieren lassen solle. Es ist insofern interessant, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung feststellt, dass "Goldbären" für Schokoladeprodukte aufgrund der Gebräuchlichkeit von goldfarbenen Verpackungen erst recht Teil des Gemeinguts sein sollte.

Schliesslich ist interessant, dass das Bundesverwaltungsgericht im Entscheid festgehalten hat, wenn die Verkehrsdurchsetzung des fraglichen Zeichens erst in der zweiten Instanz geltend gemacht werde, so sei dieser Punkt – sofern das Zeichen nicht aus anderen Gründen eingetragen werde – zur Beurteilung an das IGE zurückzuweisen. Dies ermöglicht in der Praxis ein stufenweises Vorgehen, wobei die z. T. sehr aufwändige Geltendmachung der Verkehrsdurchsetzung erst dann erfolgen muss, wenn die Marke sowohl vom IGE als auch von der Beschwerdeinstanz als ansonsten nicht schutzfähig beurteilt wurde.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht rechtskräftig. Es kann noch Beschwerde an das Schweizer Bundesgericht erhoben werden, welches letztinstanzlich entscheiden wird.

Dieser Artikel ist in redigierter Form als International Report bei iam – intellectual asset management erschienen.

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