Anforderung an implizite Geheimhaltungsvereinbarung (BGE 4A_427/2016 Antrieb für Schienenfahrzeuge)

Schweiz

Um mit Partnern, Zulieferern, Produzenten etc. bereits vor einer allfälligen Patentanmeldung über eine Innovation sprechen zu können, werden Geheimhaltungsvereinbarungen geschlossen. Wer auf eine Geheimhaltungsvereinbarung verzichtet, riskiert, dass die Informationen einer späteren Patentanmeldung entgegenstehen werden – es sei denn, er kann eine implizite Geheimhaltungsvereinbarung geltend machen. Doch der Bundesgerichtsentscheid vom 28. November 2016 setzt die Latte hoch.

In Konflikt geraten sind Bombardier und Stadler aufgrund des Patents EP 1 963 157 B1 „Schienenfahrzeug mit einer Antriebseinrichtung“. Bombardier warf Stadler Patentverletzung vor. Stadler erhob seinerseits Nichtigkeitseinrede. Diese Streitigkeit wurde vor dem Bundespatentgericht (BPatGer) in St. Gallen ausgetragen.

Stadler erhob die Nichtigkeitseinrede. Das Patent sei nicht neu gegenüber dem Inhalt eines Schreibens, das ABB sowohl an Siemens als auch an Stadler geschickt habe.

Bombardier bestritt, dass das fragliche Schreiben zum Stand der Technik gehöre. Es sei aufgrund einer impliziten Geheimhaltungsvereinbarung nicht öffentlich zugänglich gewesen. Gemäss Bombardier bestand ein Geschäftsverhältnis und eine Entwicklungskooperation zwischen den Parteien, woraus eine implizite Geheimhaltungsvereinbarung folge. In einem Schreiben von ABB an Siemens (umgekehrter Versandweg in derselben Sache) sei zudem ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Geheimhaltung zu finden.

Stadler entgegnete mit Bestätigungen von ABB und Siemens, welche belegten, dass das die Beteiligten keiner Geheimhaltungsvereinbarung unterlägen. Stadler erklärte, dass das Schreiben nicht eine Kooperation, sondern eine Offerte beträfe und es sich beim Schreiben zwischen Kunden und Lieferanten regelmässig nicht um vertrauliche Informationen handle. Der Hinweis zur Geheimhaltung in dem anderen Schreiben von ABB an Siemens zeige lediglich, dass auf eine Geheimhaltung bestanden würde, sofern denn eine notwendig wäre.  

Somit war vom BPatGer im Wesentlichen zu entscheiden, ob eine stillschweigende respektive implizite Geheimhaltungsvereinbarung zwischen ABB, Siemens und Stadler bestand. In der Entscheidung kommt das BPatGer zum Schluss, dass keine implizite Geheimhaltung bestand, so dass die Nichtigkeitseinrede bejaht wurde. Somit ist nicht von einer Patentverletzung auszugehen. Das Gericht begründet sein Urteil wie folgt:

Bei fehlender Geheimhaltungsvereinbarung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die übermittelten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Implizite Geheimhaltungsvereinbarungen können sich aus den gesamten Umständen ergeben. Diese sind aber nicht leichtfertig anzunehmen, sondern als Ausnahme zu betrachten. Sie muss sich zweifelsfrei aus den Umständen ergeben.

Die im umstrittenen Schreiben enthaltenen Informationen betreffen keine Übermittlung im Auftragsverhältnis, sondern eine Rückmeldung auf eine Offertenanfrage. Diverse Entscheidungen der technischen Beschwerdekammer des EPA zeigten bereits, dass technische Informationen an Kunden gemeinhin nicht als geheim gelten (T173/83, T958/91, T602/91).

Auch das Bundesgericht (BGer) vertritt diese Meinung.

Es bedarf für eine implizite Geheimhaltungsvereinbarung mindestens des Nachweises, dass ein Geheimhaltungsinteresse tatsächlich bestand und die Geheimhaltung so abgesichert wurde, dass praktisch eine Weiterverbreitung der technischen Lehre als ausgeschlossen erscheint. Dieser Nachweis ist nicht alleine durch eine Entwicklungszusammenarbeit gegeben.

Unsere Anmerkung: Wenn man vor der Patentanmeldung Informationen mit anderen austauscht, muss man dafür besorgt sein, dass der Geheimhaltungswille klar zum Ausdruck kommt. Insbesondere muss man die geheim zu behaltenden Informationen ausdrücklich mit einem entsprechenden Geheimhaltungsvermerk versehen. Anderenfalls können die fraglichen Informationen später dem Patent als vorveröffentlichter Stand der Technik entgegengehalten werden.

Links: relevancy.bger.ch/php/aza/http/index.php