Einheitspatent und einheitliches Patentgericht der EU
Das europäische Einheitspatent kommt. Europäische Patente sollen ermöglichen, Patentschutz in den verschiedenen Ländern Europas über ein zentrales Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zu erlangen. Damit können parallele nationale Prüfungsverfahren in den verschiedenen Ländern vermieden und Kosten erheblich reduziert werden.
Europäische Patente ermöglichen es, Patentschutz in den verschiedenen Ländern Europas über ein zentrales Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zu erlangen. Damit können parallele nationale Prüfungsverfahren in den verschiedenen Ländern vermieden werden, was die Kosten erheblich reduziert. Allerdings müssen erteilte europäische Patente nach der Prüfung bislang in jedem Land, in dem sie Wirkung entfalten sollen, einzeln validiert und durch jährliche Zahlung von Gebühren aufrechterhalten werden.
Voraussichtlich Ende des Jahres 2022/Anfang 2023 wird das Übereinkommen über ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (EPeW oder auch Einheitspatent) in Kraft treten. Dieses ermöglicht es, mit Stellung eines einzigen Antrags beim Europäischen Patentamt über ein sogenanntes „Einheitspatent“ Patentschutz in derzeit 17 EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig zu erhalten. Dies sind die folgenden Länder:
- Österreich,
- Belgien,
- Bulgarien,
- Dänemark,
- Estland,
- Finnland,
- Frankreich,
- Deutschland,
- Italien,
- Lettland,
- Litauen,
- Luxemburg,
- Malta,
- die Niederlande,
- Portugal,
- Slowenien,
- Schweden.
Die für ein Einheitspatent zu zahlenden Aufrechterhaltungsgebühren werden voraussichtlich weit unter den Gebühren für in den Staaten jeweils einzeln validierte europäische Patente liegen. Das Einheitspatent ist daher insbesondere in finanzieller Hinsicht interessant, wenn Patentschutz in einer Vielzahl von europäischen Ländern benötigt wird. Konkret lohnt sich das Einheitspatent typischerweise, wenn ein europäische Patent in mindestens 4 der EU-Länder welche sich am Einheitspatent beteiligen, validiert werden soll. Zu beachten ist jedoch, dass Einheitspatente nur als Ganzes aufrechterhalten oder fallengelassen werden können. Diesbezüglich sind nationale Validierungen flexibler, da jährlich über deren Weiterführung in den einzelnen Ländern entschieden werden kann.
Der Antrag zur Erlangung eines Einheitspatents ist spätestens einen Monat nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt beim EPA zu stellen. Die Option auf das Einheitspatent kann voraussichtlich ab September/Oktober 2022 durch Antrag auf Aufschiebung des Erteilungshinweises schon vor Inkrafttreten des Übereinkommens gewahrt werden.
Die übrigen Länder (u. a. Schweiz, Grossbritannien, Spanien, Norwegen), welche nicht am Übereinkommen über ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung teilnehmen, müssen bei Bedarf weiterhin einzeln validiert werden.
Einheitliches Patentgericht
Mit Inkrafttreten des EPGÜ nimmt auch ein einheitliches Patentgericht (EPG) der EU seine Arbeit auf, das sowohl für die neuen Einheitspatente als grundsätzlich auch für sämtliche bestehenden europäischen Patente und Anmeldungen in den oben genannten 17 EU-Mitgliedstaaten zuständig sein wird. Insbesondere Patentverletzungs- als auch Nichtigkeitsverfahren werden in diesen Ländern somit neu vom einheitlichen Patentgericht beurteilt.
Dies bietet zwar gewisse Vorteile. Aufgrund des zentralen Verfahrens sind keine parallelen Prozesse in mehreren Ländern zu führen, wodurch die Verfahren tendenziell einfacher und kostengünstiger werden. Die Urteile des EPG gelten zudem für alle 17 EU-Mitgliedstaaten und sind länderübergreifend durchsetzbar, was im Besonderen für Patentinhaber bei Patentverletzungsklagen interessant ist. Da sich das Gericht noch im Aufbau befindet ist aber unklar, ob das neue Gericht von Beginn an hinsichtlich Qualität der Urteile und Effizienz mit den etablierten nationalen Gerichten in den grösseren europäischen Ländern mithalten kann. Dies kann für Patentinhaber problematisch werden, da europäische Patente durch das EPG auf einen Schlag für alle teilnehmende 17 EU-Mitgliedstaaten für nichtig erklärt werden können.
Sollen diese Risiken vermieden werden, können für europäische Patentanmeldungen bei der Erteilung wie bisher nationale Validierungen in den interessierenden Ländern vorgenommen werden. Für bestehende Anmeldungen und Patente gibt es zudem die Möglichkeit, durch einen „Opt-Out“-Antrag die Zuständigkeit des EPG für mindestens 7 Jahre auszuschliessen. Damit bleiben, wie bisher, ausschliesslich die nationalen Gerichte für die Klärung von Rechtstreitigkeiten zuständig.
Als Schutz vor Angriffen Dritter stellt man mit einem Opt-Out somit sicher, dass das Patent nicht zentral angegriffen werden kann. In der Regel ist es möglich, vor dem Erheben einer Verletzungsklage, die Opt-Out Entscheidung rückgängig zu machen und so die Vorteile des zentralen Verfahrens bei einem Verletzungsprozess vor dem EPG dennoch zu nutzen.
Übersicht Vorteile/Nachteile
Vorteile Einheitspatent/EPG
- Einheitspatent ist kostengünstiger falls Patentschutz in einer Vielzahl von europäischen Ländern benötigt wird.
- Keine parallelen Prozesse in mehreren Ländern.
- Wird aus einem oder gegen ein Patent geklagt, gilt eine Entscheidung des EPG für alle teilnehmenden Staaten.
- Tendenziell sind Verfahren vor dem EPG einfacher und kostengünstiger als in mehreren Einzelstaaten geführte Verfahren, da zentral über Verletzung und/oder Nichtigkeit entschieden wird, und dementsprechend jeweils nur einmal Gerichts- und Anwaltsgebühren anfallen.
Nachteile Einheitspatent/EPG
- Einheitspatente können nur zentral und nicht je nach Bedarf in einzelnen Staaten aufrechterhalten oder fallengelassen werden.
- Qualität der Urteile und Effizienz des EPG sind im Gegensatz zu bekannten und bewährten nationalen Gerichten unbekannt.
- Sowohl bestehende europäische Patente als auch Einheitspatente können auf einen Schlag für alle teilnehmende Staaten für nichtig erklärt werden, wohingegen Entscheidungen einzelner nationaler Gerichte voneinander abweichen können.