Ein Muss für moderne Investoren – Risikominimierung durch IP Due Diligence
Die Suche nach vielversprechenden Start-ups ist zu einer Kunstform geworden. Hübsche Präsentationen und beeindruckende Umsatzzahlen sind zweifellos verlockend, aber kluge Investoren wissen, dass wahre Werthaltigkeit oft tiefer liegt. Vor dem Investment ist es entscheidend, einen genauen Blick auf das zu werfen, was das Unternehmen wirklich antreibt – und dazu gehört auch das geistige Eigentum alias Intellectual Property (IP).
Bei der IP-Due-Diligence-Prüfung handelt es sich im Kern um eine sorgfältige Prüfung der gewerblichen Schutzrechte, die Bestandteil eines geplanten Vertrags werden sollen. Der Umfang dieser Prüfung ist dabei stark davon abhängig, was konkret Vertragsgegenstand ist, welche Vertragsparteien den Vertrag schliessen möchten und welche Rahmenbedingungen zu beachten sind. Handelt es sich beispielsweise um zwei Unternehmen, die in einem hochkomplexen Technologiefeld, etwa der Luftfahrttechnik, Produkte herstellen und anbieten, sollte die Prüfung viel intensiver ausfallen als bei Unternehmen, die lediglich am Vertriebsrecht trivialer Produkte interessiert sind.
Zweifellos bilden die internen Aspekte eines Unternehmens – stabile Finanzen, ein überzeugendes Geschäftsmodell und eine gut strukturierte Organisation – die Eckpfeiler jeder erfolgreichen Unternehmung. Investoren sind sich der Bedeutung dieser Elemente bewusst, weshalb sie vor einem Investment in der Regel eine Due Diligence durchführen. Dieser Prozess hat sich als Standard etabliert, um das fundamentale Gerüst potenzieller Investitionen zu überprüfen. Was jedoch oft in den Schatten gestellt wird, ist ein ebenso entscheidender Teil dieses Prozesses – das geistige Eigentum (IP). Diese Komponente wird durch die IP Due Diligence eingehend untersucht und bildet eine logische Erweiterung der allgemeinen Due Diligence. Investoren, die nachhaltige und langfristige Renditen suchen, dürfen die Bedeutung des geistigen Eigentums eines Start-ups nicht unterschätzen – und folglich auch nicht dessen gewissenhafte Überprüfung. Diese eingehende Untersuchung deckt nicht nur vorhandene Patente von Wettbewerbern auf, sondern bewertet auch die Innovationskraft, die Kreativität und die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Das geistige Eigentum eines Unternehmens ist oft unsichtbar, aber es ist ein Fundament, auf dem der Erfolg ruht. Von Patenten über Marken bis hin zu Geschäftsgeheimnissen – jedes Element spielt eine Schlüsselrolle. Investoren wollen beziehungsweise müssen sicherstellen, dass sie nicht nur in ein Geschäftsmodell, sondern auch in eine nachhaltige Wettbewerbsposition investieren.
Die logische Erweiterung einer regulären Due Diligence
Bei einer gängigen Due Diligence wird eine umfassende Prüfung von Finanzen, rechtlichen Angelegenheiten, Betriebsprozessen, Steuerangelegenheiten und Personalwesen durchgeführt. Die IP Due Diligence stellt eine logische Erweiterung dieses Prozesses dar. In diesem speziellen Untersuchungsbereich liegt der Fokus auf dem Schutz und der Werthaltigkeit des geistigen Eigentums eines Unternehmens, womit eine entscheidende Dimension hinzugefügt wird. Hierbei werden geistige Eigentumsrechte wie Patente, Marken, Urheberrechte und Geschäftsgeheimnisse genauer unter die Lupe genommen, um potenzielle Risiken, mögliche Verletzungen von Rechten Dritter und den Gesamtwert des geistigen Eigentumsportfolios zu identifizieren. Die IP Due Diligence fungiert somit als essenzieller Schutzschild, der sicherstellt, dass das Unternehmen nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch rechtlich robust aufgestellt ist, um möglichen Stolpersteinen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum souverän zu begegnen.
Über die bisherige Vernachlässigung der inneren Werte
Die Vernachlässigung des Intellectual Property (IP) in der Vergangenheit lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Oftmals haben Beteiligte diejenigen Risiken unterschätzt, welche sich aus einer fehlenden IP Due Diligence ergeben können. Zusätzlich wurden wertvolle Erkenntnisse eines Due Diligence-Prozesses für die Beurteilung eines Investments nicht ausreichend berücksichtigt. Ressourcenknappheit spielte ebenfalls eine Rolle, da finanzielle und betriebliche Aspekte eher im Vordergrund stehen. Die Komplexität von IP-Rechten und die damit verbundenen rechtlichen und technischen Nuancen erfordern jedoch ebendiese zusätzlichen fachspezifischen Ressourcen. Mit zunehmender Spezialisierung und Komplexität neuer Start-ups ist jedoch ein Bewusstseinswandel zu beobachten, sodass die Bedeutung von geistigem Eigentum als strategischem Vermögenswert stärker in den Fokus rückt. Investoren erkennen zunehmend die Notwendigkeit, langfristige (IP-)Risiken zu minimieren beziehungsweise den Wert ihrer Investitionen zu sichern.
Worst Case-Szenarien nach einem Investment
Das Fehlen einer IP Due Diligence seitens eines Investors kann zu erheblichen Folgen für die Investition und das betroffene Unternehmen führen:
• Nichtige oder fragwürdige IP-Rechte: Ohne eine gründliche Due Diligence besteht das Risiko, dass die behaupteten geistigen Eigentumsrechte des Unternehmens nichtig oder rechtlich fragwürdig sind. Rechtsstreitigkeiten, in denen das Unternehmen seine Rechte verteidigen muss oder im schlimmsten Fall feststellt, dass es keine wirksamen Schutzrechte besitzt, wären die Folge.
• Risiko von Klagen und Schadensersatzansprüchen: Durch das Fehlen einer angemessenen IP Due Diligence könnte das Unternehmen unwissentlich in Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden. Dritte hätten somit Ansprüche aufgrund der Verletzung ihrer IP-Rechte, was zu kostspieligen Klagen und Schadensersatzforderungen führen würde.
• Verlust von Wettbewerbsvorteilen: Konkurrenten könnten die Technologien, Marken oder anderen geschützten Vermögenswerte des Unternehmens ohne rechtliche Konsequenzen nutzen, was Umsatzverluste und einen Rückgang der Marktposition nach sich ziehen würde.
• Schwierigkeiten bei Finanzierungen und Partnerschaften: Investoren könnten Schwierigkeiten haben, zusätzliche Finanzmittel zu beschaffen oder strategische Partnerschaften einzugehen, wenn potenzielle Partner oder Kreditgeber Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Sicherheit des geistigen Eigentums des Unternehmens hegen. • Reputationsschäden: Rechtsstreitigkeiten oder der Verlust von IP-Rechten führen im Zweifel zu erheblichen Reputationsschäden. Kunden, Lieferanten und weitere Investoren verlieren damit das Vertrauen in das Unternehmen, was langfristige Auswirkungen auf das Geschäft hätte.
Investments mit Köpfchen – Nur interdisziplinär möglich
Während einer IP Due Diligence werden verschiedene Schlüsselaspekte überprüft. Dazu gehören die Gültigkeit und Reichweite der vorhandenen Schutzrechte, mögliche Verletzungen durch Dritte, laufende oder potenzielle Rechtsstreitigkeiten sowie die allgemeine Strategie des Unternehmens im Umgang mit seinem geistigen Eigentum. Ein besonders wichtiger Faktor ist auch die Bewertung des IP im Kontext der Geschäftsstrategie des Unternehmens und dessen Auswirkungen auf die langfristige Wettbewerbsposition. Ein entscheidender Schritt im Rahmen der IP Due Diligence ist die sogenannte Freedom to Operate (FTO)-Analyse. Diese soll sicherstellen, dass das Unternehmen seine Produkte oder Dienstleistungen ohne Verletzung bestehender Schutzrechte auf den Markt bringen kann. Die FTO-Analyse identifiziert potenzielle Risiken, die sich aus bereits bestehenden Schutzrechten ergeben könnten, und ermöglicht es dem Investor, Strategien zur Risikominimierung zu entwickeln. Der Prozess der IP Due Diligence erfordert ein interdisziplinäres Team von Experten, darunter Patentanwälte, Technologieexperten beziehungsweise Ingenieure und professionelle Researcher. Gemeinsam arbeiten sie daran, sämtliche Facetten der IP-Landschaft zu beleuchten und potenzielle Risiken zu minimieren. Dieser Ansatz trägt dazu bei, nicht nur rechtliche Herausforderungen zu bewältigen, sondern auch strategische Vorteile zu identifizieren, die das Investitionsportfolio stärken können.
Fazit: Weg von äußeren und hin zu inneren Werten
Letztendlich müssen beide Werte passen, und dieser Ansatz verdeutlicht, dass Investoren nicht nur Geldgeber sind, sondern Entscheidungsträger, die in Partnerschaften mit Substanz investieren. Der Weg zu nachhaltigem Erfolg liegt nicht nur in der Höhe des Investments, sondern auch in der Tiefe der Analyse und der strategischen Ausrichtung auf das geistige Eigentum – eine Reise, die Investoren und Start-ups gemeinsam unternehmen sollten.
Sie haben Fragen zu IP-Due-Diligence-Prüfungen oder benötigen selbst eine IP-Due-Diligence-Prüfung? Bitte zögern Sie nicht uns zu kontaktieren. Wir unterstützen Sie gern.
Zum Autor: Mirko Schade ist Managing Partner bei Keller Schneider. Dieser Artikel wurde als Gastbeitrag für das VentureCapital Magazin verfasst.