Deutschlands neuer Anlauf zum Einheitspatentgericht

Werner A. Roshardt | EPGÜ | 02.11.2020

Die deutsche Regierung will mit „kurzem Schlag“ das negative Urteil seines Verfassungsgerichts erwidern. Im März 2020 hatte das Gericht nämlich entschieden, dass die erste Ratifikation des EPGÜ aus dem Jahr 2017 formal ungültig ist wegen fehlender Zweidrittelmehrheit. Das neue Ratifikationsgesetz ist Anfang Oktober durch die erste Lesung des deutschen Bundestags gegangen und soll in diesem November im Rahmen der Budgetabstimmung 2021 verabschiedet werden. Damit hofft die Regierung, dem Abkommen im Interesse der Europäischen Industrie  in Kürze zum Erfolg zu verhelfen

Schon seit langem wünschen sich Unternehmen ein europaweites Patent. Bis jetzt ist dieser Wunsch aber trotz unermüdlicher Arbeit an Kompromissen nicht Realität geworden. Auch dieses Jahr gab es zwei Rückschläge. Grossbritannien hat nämlich seine frühere Ratifikation definitiv zurückgezogen, um den BREXIT umzusetzen. Damit ist eine der bisher zentralen Säulen des Vertrags weggefallen. Wie wenn das nicht genug wäre, hat zudem das deutsche Bundesverfassungsgericht die deutsche Ratifikation für ungültig erklärt, weil die Parlamentsabstimmung nicht mit der nötigen Zweidrittelmehrheit erfolgt war.

Durch eine neue Abstimmung mit grosser Beteiligung will die Regierung den früheren Mangel beheben. Die Befürworter sind sich zwar bewusst, dass es im Vertrag nach wie vor die Bestimmungen gibt, die von der Teilnahme Grossbritanniens ausgehen. Um nicht zurück in die komplexe Verhandlungssituation gehen zu müssen, stellen sie sich auf den Standpunkt, dass der Vertrag einfach im Weg der Auslegung an die neue Situation angepasst werden kann. Damit wäre dann das Einheitspatentgericht endlich unter Dach und Fach.
So einfach dürfte sich der Kampf für das neue Gericht wahrscheinlich aber nicht gewinnen lassen.

Auch wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oberflächlich betrachtet durch eine zweite Abstimmung mit der nötigen Präsenz und Mehrheit an Parlamentariern überwunden werden kann, gibt es doch auch tieferliegende verfassungsrechtliche Probleme. Sie hängen mit der Art und Weise zusammen, wie Richter beim Einheitspatentgericht ernannt und wiedergewählt werden. Diese Probleme waren schon in der im Jahr 2017 erhobenen Verfassungsklage thematisiert worden. Das BVerfG hatte sich aber zu diesen Argumenten (noch) nicht geäussert. Würde eine erneute Klage erhoben, müsste er diese Fragen dann aber beurteilen. Und es wäre heute voreilig anzunehmen, dass das Gericht ohne weiteres zugunsten des Abkommens entscheiden würde.

Die Hoffnung, dass der Vertrag wegen dem BREXIT nicht neu verhandelt sondern nur ausgelegt werden muss, ist kaum realistisch. Immerhin sind die Standorte der Zentralkammern des Gerichts nicht das Ergebnis einer mathematischen Berechnung, sondern einer politischen Schlussverhandlung. Italien hat für den frei werdenden Gerichtsstand aus Londen seine Bewerbung abgegeben. Eine politische Entscheidung dazu ist unter den Vertragsstaaten bis jetzt nicht gefallen.

Schliesslich werden ohne das Vereinigte Königreich auch die finanziellen Vorteile des Abkommens und folgerichtig auch die Bemessung der Patentgebühren für das Einheitspatent neu zu gewichten sein.

Es kann noch einige Zeit dauern, bis das erste europäische Patent mit einheitlicher Wirkung vor einem zentralen Gericht durchgefochten wird.

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