Haftung des Geschäftsführers für Patentverletzungen (BGH-Urteil „Glasfasern II“)

Deutschland

Für den Schaden aus einer Patentverletzung haftet im Grundsatz das Unternehmen, welches die patentverletzenden Produkte hergestellt bzw. vertrieben hat. Nach deutschem Recht kann aber auch der Geschäftsführer in Anspruch genommen werden. Das kann sehr unangenehm sein, insbesondere wenn das Unternehmen insolvent wird. In einem neuen Entscheid hat der BGH entschieden, dass er an der Haftung des Geschäftsführers nichts ändern will.

In langjähriger Praxis hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Vergangenheit die Haftung des Geschäftsführers für Patentverletzungen bejaht und zwar ohne dass der Kläger konkrete, schuldhafte Handlungen des Geschäftsführers hätte vortragen müssen.

Dagegen hat der I. Zivilsenat eine Haftung des gesetzlichen Vertreters für eine von der Gesellschaft begangene Verletzung von Immaterialgüterrechten nur dann bejaht, wenn der gesetzliche Vertreter von den Verletzungshandlungen Kenntnis hatte und sie nicht verhindert hat.  

In neuerer Zeit vertritt der I. Zivilsenat sowohl für Verletzungshandlungen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs als auch für Verstösse gegen das Urheberrechtsgesetz die Auffassung, ein gesetzlicher Vertreter hafte für Verletzungshandlungen der Gesellschaft nur dann, wenn er daran durch positives Tun beteiligt gewesen war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.

In einem kürzlichen Urteil sieht der X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aber keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung zu ändern. Er vertritt die Meinung, dass eine Garantenstellung des Geschäftsführers zum Beispiel dann besteht, wenn der Schutz von Rechten Dritter eine organisatorische Aufgabe ist, zu der zu allererst der gesetzliche Vertreter berufen ist. Die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit und Zumutbarkeit der Beherrschung einer Gefahrenlage bezüglich Patente Dritter liegt beim Geschäftsführer.

Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmen technische Erzeugnisse herstellt oder in den inländischen Markt einführt.

Für praktisch jeden Bereich der Technik ist eine Vielzahl von Patenten mit unterschiedlichsten Gegenständen in Kraft. Ein Unternehmen muss deshalb vor Aufnahme einer der genannten Tätigkeiten prüfen, ob seine Erzeugnisse oder Verfahren in den Schutzbereich fremder Rechte fallen.

Diese Verpflichtung ist Ausdruck der sogenannten „gesteigerten Gefährdungslage“, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind. Der aus Patenten und Gebrauchsmustern resultierende Schutz wäre nicht in hinreichender Weise gewährleistet, wenn andere Marktteilnehmer der Frage, ob ihre Tätigkeit fremde Schutzrechte verletzt, nur untergeordnete Bedeutung beimässen.

Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebes und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortlichen Mitarbeiter gewährleistet ist. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass grundlegende Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen und dass die mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb betrauten Mitarbeiter der Gesellschaft die gebotenen Vorkehrungen treffen, um eine Verletzung fremder Patente zu vermeiden.

Bei dieser Ausgangslage bedarf es im Regelfall keiner näheren Fest-stellungen dazu, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht.

Anmerkung: Dieses Urteil bestätigt die Wichtigkeit von Schutzrechtsabklärungen vor Entführung eines neuen Produkts. Der Geschäftsführer muss sich im Prinzip persönlich über die Risikolage informieren und die Entscheidung zum Vorgehen mitgestalten.

Links: juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py