Schutzbereich von means-plus-function Ansprüchen (CAFC - Williamson v. Citrix)

USA

Der Schutzbereich eines Patents wird durch die Ansprüche und deren Auslegung anhand der Beschreibung festgelegt. Wenn der Anspruch nur eine Funktion ohne Struktur definiert, wird im US-Patentrecht gemäss 35 USC 112 para. 6 die Beschreibung zur Bestimmung des Schutzumfangs herangezogen. In einem neuen Entscheid hat der CAFC seine 10-jährige Rechtsprechung revidiert, wonach die Verwendung des Wortes "means" entscheidend war.

Der Court of Appeals for the Federal Circuit (CAFC) hat den Fall Williamson v. Citrix als Anlass genommen, seine jüngere Rechtsprechung zu "means-plus-function" Ansprüchen zu revidieren. Er ist wieder zum früheren Grundsatz zurückgekehrt, wonach Ansprüche im Einzelfall auf die Anwendbarkeit von 35 USC §112 para. 6 zu prüfen sind.

Williamson hatte ein Patent erlangt, welches ein "virtuelles Klassenzimmer" zum Gegenstand hatte. Im Einzelnen definierte der Anspruch die Funktionen des Lehrer-Computers und der Studenten-Computer, welche über einen Server via Internet miteinander kommunizieren konnten, so dass jeder Student sowohl mit dem Lehrer als auch mit den Mitstudenten in Kontakt treten konnte.

Eines der Merkmale des Anspruchs lautete: "a distributed learning control module for receiving communications transmitted between the presenter and the audience member computer systems and for relaying the communications to an intended receiving computer system and for coordinating the operation of a streaming data module". Das erstinstanzliche Gericht hatte diesen Anspruch als "means-plus-function" im Sinn des §112 para. 6 ausgelegt. Da in der Beschreibung kein Algorithmus zur Umsetzung aller genannten Funktionen enthalten war, hatte das Gericht den Anspruch wegen mangelnder Offenbarung für nichtig erklärt.

Der CAFC bestätigt in der Berufung dieses Urteil, wobei er die Grundsätze seiner jüngeren Rechtsprechung korrigiert.

Vor rund 10 Jahren hatte der CAFC nämlich einen neuen Standard bei der Prüfung auf Anwendbarkeit von §112 para. 6 etabliert. Er sagte, dass das Fehlen des Wortes "means" eine starke und nicht leicht überwindbare Vorannahme zur Folge habe, dass §112 para. 6 nicht anwendbar sei. Dieser Prüfungsstandard hatte er in mehreren nachfolgenden Entscheiden bestätigt und sogar tendenziell verstärkt.

Im vorliegenden Entscheid wirft er diesen strengen, formalistischen Standard über Bord. Er sieht keinen Grund, dem Wort "means" ein derart hohes Gewicht beizumessen. Der Prüfungsstandard soll jetzt (wieder) darin bestehen, ob der fragliche Anspruchswortlaut für den Fachmann eine ausreichend bestimmte Struktur bedeutet. Wenn also das Wort "means" verwendet wird, gilt die wiederlegbare Vermutung, dass §112 para. 6 anwendbar ist. Kann gezeigt werden, dass der Anspruch keine ausreichend bestimmte Struktur definiert, ist §112 para. 6 anwendbar. Umgekehrt schliesst das Fehlen des Wortes "means" nicht aus, dass §112 para 6 anwendbar ist, sofern Gründe dafür bestehen.

Im konkreten Fall beurteilt der CAFC das Wort "module" als einen leeren Platzhalter, wie z.B. "Mittel", "Element", "Mechanismus" oder "Gerät". Damit ist der Anspruch als "means-plus-function" zu lesen. Dass ein Fachmann aufgrund der beanspruchte Funktion ohne weiteres in der Lage ist, die Funktion zu programmieren, bedeutet nicht, dass eine ausreichend bestimmte Struktur offenbart ist. Es ist nämlich dadurch noch nicht gesagt, wie genau das Modul mit den anderen Teilen des Systems zusammenarbeitet.

Weiter hat der CAFC in der Beschreibung keinen Algorithmus oder dergleichen gefunden, der anhand einer mathematischen Formel, eines Verfahrens oder Flussdiagramms erläutert, wie das Modul die angegebenen Funktionen realisiert. Somit ist der Anspruch unbestimmt und damit nichtig.

Dieses Urteil geht wieder auf den richtigen Standard zurück. Die Formalität, ob das Wort "means" erscheint oder nicht, wird wieder der inhaltlichen Frage  untergeordnet, ob nur eine Funktion oder ob auch eine Struktur offenbart ist.

Für die Praxis bedeutet das: Wenn der Anmelder versucht, das Patent möglichst breit zu formulieren und daher im Anspruch nur Funktionen nicht aber konkrete Mittel nennt, dann ist nach der U.S. Rechtsprechung zu prüfen, ob der §112 Abs. 6 anzuwenden ist. Dieser schränkt den Schutz der beanspruchten Funktion auf die in der Beschreibung genannten konkreten "Strukturen" und deren Äquivalente ein. Das bedeutet also, dass der Anspruch viel enger ist als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wenn dann der Anmelder in der Beschreibung diese Einengung dadurch zu vermeiden versucht, dass er keine konkrete Struktur nennt, ist der Anspruch unbestimmt und daher nichtig.

Links: www.cafc.uscourts.gov/sites/default/files/opinions-orders/13-1130.Order.6-11-2015.1.PDF