3D Markenschutz für quadratische Tafelschokoladenverpackung (BGH I ZB 105/16)

Deutschland

Formen von Waren können als Marke geschützt werden, wenn sie vom Verkehr als Hinweis auf ein Unternehmen verstanden werden. Wenn die Form der Ware jedoch auf eine wesentliche Gebrauchseigenschaft der Ware gerichtet ist, ist sie wegen § 3 Abs. 2 Markengesetz vom Markenschutz ausgeschlossen. Ist nun eine Schlauchverpackung einer quadratischen Schokolade schützbar oder wird dadurch eine wesentliche Eigenschaft der Schokoladenform in unlauterer Weise monopolisiert?

Ritter Sport hat im Jahr 1995 eine Formmarke hinterlegt für die Verpackung ihrer schon seit Jahrzehnten benutzten quadratischen Schokoladetafel. Aufgrund der hohen Bekanntheit der Schokoladenform wurde die Verpackungsform als durchgesetzte dreidimensionale Marke eingetragen (Nr. 2 913 183).

Im Jahr 2010 wurde von dritter Seite beim deutschen Markenamt ein Löschungsantrag eingereicht. Die Marke bestehe ausschliesslich aus einer technisch erforderlichen Form. Das DPMA wies diesen Löschungsantrag zurück. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren wurde zusätzlich geltend gemacht, die Markenform erschöpfe sich im Wesen der Ware (§ 3 II Nr. 1 MarkenG). Das Bundespatentgericht hiess den Antrag gut und ordnete die Löschung der Marke an.

Das Bundespatentgericht begründete seinen Entscheid unter anderem damit, dass die vorliegende Warenverpackung die Form der verpackten Ware deutlich erkennen lasse. Wesentliches Merkmal sei die quadratische Grundfläche des Verpackungskörpers. Dies sei nur eine bestimmte Form der handelsüblichen rechteckigen Form von Tafelschokolade.

Die Quadratform bringe dabei praktische Vorteile mit sich, indem sie die Verpackung, die Lagerung, den Transport und die Portionierung von Tafelschokolade wesentlich erleichtere. Auch dem Konsumenten biete sie Vorteile, weil sie gegenüber rechteckig-länglichen Formen besser in einer Jackentasche unterbringen lasse.

Zwar wird der Verkehrsteilnehmer auch den Geschmack und die Zutaten der Schokolade als wesentliche Eigenschaft des Produkts erachten. Das bedeute aber nicht, dass nicht auch die Gebrauchseigenschaften wesentlich seien. In der Warenform müssten nicht sämtliche wesentlichen Gebrauchseigenschaften verwirklicht sein, um die Form schutzunfähig zu machen.

Ritter Sport focht diesen Entscheid beim Bundesgerichtshof an und erhielt Recht. Der BGH stellt Folgendes fest.

Nach der Rechtsprechung des EUGH sind die wesentlichen Merkmale der Warenform durch die Art der Ware selbst bedingt, wenn sie eine wesentliche Gebrauchseigenschaft aufweisen, die zur gattungstypischen Funktion der Ware gehört. Nach solchen Funktionen würde der Verbraucher auch bei den Waren der Mitbewerber suchen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 1097 Rn. 25 bis 27 - Hauck/Stokke). Es ist nicht erforderlich, dass die in Rede stehende Form für die Funktion der betreffenden Ware unentbehrlich ist oder dass dem Hersteller kein Freiraum für einen wesentlichen persönlichen Beitrag übrig bleibt.

Durch diese Bestimmungen soll im Allgemeininteresse verhindert werden, dass dem Markeninhaber über das Markenrecht ein zeitlich unbegrenztes Monopol für wesentliche Gebrauchseigenschaften einer Ware eingeräumt wird. Würden solche Eigenschaften dem Markeninhaber vorbehalten, könnte er es Mitbewerbern erschweren, ihren Waren eine gleichermassen gebrauchstaugliche Form zu geben. Dies wäre ein unlauterer Wettbewerbsvorteil. Es kann deshalb auch nicht möglich sein, dass solche Formmarken gestützt auf Verkehrsdurchsetzung eingetragen werden.

Im vorliegenden Fall hat das Bundespatentgericht die seitlichen Verschlusslaschen zu Recht als üblichen und deshalb für den Gesamteindruck unwesentlichen Bestandteil von Schlauchbeutelverpackungen für Schokoladenwaren angesehen. Zu beurteilen ist deshalb die quadratische Form der Verpackung.

Die Form der Verpackung ist normalerweise nicht der Form der Ware gleichzusetzen. Nur bei Waren, die keine eigene Form haben (z.B. flüssige Waschmittel) kann die Verpackungsform statt die Ware als Anknüpfung für den Ausschlussgrund geprüft werden. Wenn die Ware dagegen eine bestimmte Form hat (wie z.B. ein Nagel), dann gibt es keinen hinreichend engen Zusammenhang zwischen Verpackungsform und Ware selbst. Wenn die Verpackungsform der Warenform vollständig entspricht, dann ist es gerechtfertigt, die Verpackung der Warenform gleichzusetzen (Lindt Goldhase).

Da Tafelschokolade eine eigene Form hat und nur aus Hygienegründen verpackt wird, darf die Verpackung nicht der Form der Ware gleichgestellt werden.

Aber selbst wenn man im vorliegenden Fall die Schutzfähigkeit der Verpackungsform anhand der Schutzfähigkeit der Warenform prüft, ist der Markenschutz nicht zu verneinen. Die quadratische Grundfläche des Verpackungskörpers als alleiniges wesentliches Merkmal der in der Marke wiedergegebenen Form der Warenverpackung ist jedoch nicht durch die Art der Ware selbst bedingt.

Für das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind ausschliesslich Gebrauchseigenschaften von Bedeutung, die für den Verbraucher wesentlich sind. Wesentliche Erleichterungen bei der Verpackung, der Lagerung und dem Transport durch die in Rede stehende Form sind Vorteile bei der Herstellung und dem Vertrieb der Ware, sie kommen jedoch nicht dem Benutzer zugute.

„Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG greift nur ein, wenn die in der Form verkörperten Eigenschaften (hier: quadratische Form von Tafelschokolade) für den Gebrauch der jeweiligen Ware typisch sind und dem bestimmungsgemäßen Einsatz der Ware dienen (hier: Verzehr von Tafelschokolade). Vorteile, die nur in für die Verwendung unüblichen Konstellationen eintreten (hier: Mitführen von Tafelschokolade in einer Jackentasche zum Verzehr unterwegs), stellen keine wesentlichen Gebrauchseigenschaften dar und führen nicht dazu, dass das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Mar-kenG eingreift.“

„Für den Benutzer sind die Funktionalitäten der Ware und nicht die Modalitäten ihrer Herstellung maßgeblich. Gemäss EUGH sind durch den § 3 II.1 nur die Funktionsweise der fraglichen Ware erfasst.“

„Die vom Bundespatentgericht angeführten praktischen Vorzüge bei der Verpackung, der Lagerung und dem Transport von Tafelschokolade beziehen sich nicht auf Gebrauchseigenschaften, die dem Benutzer zugutekommen können. Ersichtlich handelt es sich dabei um Vorteile für die Anbieter von Tafelschokolade bei der Herstellung und dem Vertrieb der Ware.“

Bei Tafelschokolade handelt es sich um eine Ware, deren primärer Zweck der Verzehr ist. Für den Verzehr sind ausschlaggebend der Geschmack und die Zutaten der Tafelschokolade. Die leichte Transportmöglichkeit in der Jackentasche ist dagegen grundsätzlich keine wesentliche Eigenschaft eines zum Verzehr bestimmten Produkts. Anderenfalls wären sämtliche Formen von (verpackten) Lebensmitteln, die Platz in einer Jackentasche finden, vom Markenschutz ausgenommen.

Bemerkung: Dieses Urteil zeigt deutlich die beträchtlichen Möglichkeiten auf, die für den Markenschutz von Verpackungen bestehen. Weil der BGH im vorliegenden Fall die Schutzfähigkeitsfrage nicht an Nebensächlichkeiten wie z.B. die seitliche Schweissnaht, sondern an der Grundform der Schokolade begründet hat, erkennt man auch die grössere Tragweite.

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