Berücksichtigung von Koexistenzvereinbarungen bei Markenkollisionen
China ist eines der Länder, welches die Markengesuche nicht nur auf absolute Eintragungshindernisse prüft, sondern auch auf Verwechslungsgefahr mit älteren Marken. Nicht selten werden dabei Marken entgegengehalten, die in der Praxis gar nicht als verwechselbar betrachtet werden. Während das Amt bisher Koexistenzvereinbarungen nur selten berücksichtigt hat, legt ein kürzlich ergangener Gerichtsentscheid fest, in welchem Rahmen solche Vereinbarungen zu berücksichtigen sind.
Das Höhere Volksgericht von Beijing hat entschieden, dass eine Zustimmungserklärung des Inhabers der älteren Marke zu Gunsten der Eintragung des jüngeren Markengesuchs (Koexistenzvereinbarung) nicht unberücksichtigt bleiben kann bei der Entscheidung über die Markeneintragung. Dies aus zwei Gründen:
1. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Eintragungsverfahren beruht auf einer Vorannahme der Markenbehörde oder des Gerichts über die Sichtweise der fallspezifisch massgeblichen Verkehrskreise. Im Vergleich dazu reflektiert die Zustimmungserklärung des Inhabers der älteren Marke die Sicht einer direkt interessierten Partei. Deren Sicht dürfte näher bei der Marktrealität sein, als die der Eintragungsbehörde. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Inhaber der älteren Marke seine Zustimmung zur jüngeren Marke abgeben würde, wenn die jüngere Marke mit der älteren verwechselbar wäre, weil er damit seine Interessen schädigen würde. Aus diesem Grund ist eine Zustimmungserklärung ein starkes Beweismittel gegen die Verwechslungsgefahr, sofern nicht spezifische gegenteilige Faktoren offensichtlich sind.
2. Eine Marke ist ein zivilrechtliches Eigentum. Ausgehend vom Grundsatz der Verfügungsautonomie bei Eigentum, kann der Markeninhaber frei über seine Rechte verfügen, soweit dadurch nicht ein vitales öffentliches Interesse verletzt wird. Die Zustimmungserklärung ist Ausdruck des freien Willens des Markeninhabers, mit der er die Koexistenz einer ähnlichen Marke mit identischen oder ähnlichen Waren zulässt. Vor dem Hintergrund, dass das Markengesetz die Interessen der älteren Markeninhaber und der Konsumenten schützen soll, soll eine Koexistenzvereinbarung nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn es genügend Beweise gibt, dass die Koexistenzvereinbarung die Interessen der Konsumenten verletzt.
Angesichts dieses Urteils kann man folgende Fallgruppen unterscheiden, wenn sich zwei Marken gegenüberstehen, deren Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich sind:
a) Wenn die angemeldete Marke identisch mit der entgegengehaltenen älteren Marke ist, kann die Marke nicht mehr die zentrale Funktion der Herkunftsunterscheidung wahrnehmen. Es überwiegt also das Interesse der Konsumenten, vor der Verwechslungsgefahr geschützt zu werden. So ist z.B. die Anmeldung für die Wortmarke RANGER trotz einer Zustimmungserklärung zurückgewiesen worden, weil sie mit der älteren Marke identisch war.
b) Wenn die einander gegenüberstehenden Marken ähnlich sind, weil die dominanten Bestandteile der Marken identisch sind, wird eine Zustimmungserklärung nur dann berücksichtigt, wenn zwischen den Markeninhabern eine rechtliche Beziehung besteht, die eine Verwechslung über die Herkunft der Waren ausschliesst. Beispielsweise ist die Wort-Bildmarke „NTT Data“ zugelassen worden, obwohl der dominante und einzige kennzeichnungskräftige Teil, nämlich „NTT“ mit der älteren Word-Bildmarke „NTT Communications“ identisch war. Dies deshalb, weil die Markenanmelderin die Tochtergesellschaft der Inhaberin der älteren Marke war.
c) Wenn die angemeldete Marke und die entgegengehaltene Marke sehr ähnlich sind, wird die Zustimmungserklärung als einer von mehreren Faktoren bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt. Als weitere Kriterien sind z.B. die Bekanntheit bzw. das Ansehen der einander gegenüberstehenden Marken und die Anwendungsgebiete der Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen. Beispielsweise ist die Markenanmeldung „UGG“ gegenüber der ähnlichen Marke „UCG“ zugelassen worden, weil neben der Zustimmungserklärung auch noch die Verschiedenartigkeit der Geschäftsgebiete gegeben war. Wenn neben den übereinstimmenden Teilen auch noch auffällige grafische Unterschiede zwischen den Marken bestehen, kann eine Koexistenzvereinbarung meist zur Eintragung des Gesuchs führen.
Wenn also im chinesischen Prüfungsverfahren Drittmarken entgegengehalten werden, lohnt es sich, die Umstände des Einzelfalls genau zu untersuchen. Neben den Argumenten gegen die Verwechslungsgefahr wird der Koexistenzvereinbarung in Zukunft ein grösseres Gewicht zukommen.
Links: www.cpt.cn/en/list.aspx