Auslegung der Ansprüche (Beijing IP High Court, du Pont de Nemours)
Die Bedeutung der in den Ansprüchen verwendeten Begriffe ist oft entscheidend dafür, ob das Patent gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt ist und ob ein Produkt eines Mitbewerbers unter den Anspruch fällt. Nicht immer sind die verwendeten Begriffe klar. Welche Bedeutung ist einem Begriff zu geben, wenn sie in der Beschreibung speziell definiert ist, aber nicht im Anspruch enthalten ist? Was ist die Folge eines unklar definierten Begriffs?
Der Anspruch lautete „An azeotrope or nearazeotrope composition comprising from about 62,4 mole percent to about 89,4 mole percent E-HFC-1234ze and hydrogen fluoride…“. In der Beschreibung wird folgende Definition gemacht: „E-HFC-1234ze as used herein refer to a mixture of the isomers, E-HFC-1234ze … or Z-HFC-1234ze… , wherein the predominant isomer ist E-HFZ-1234ze.“ Ferner findet sich die Erläuterung: „As used herein, predominant isomer is intended to mean that isomer which is present in the composition at a concentration greater than 50 mole percent.“
In der Entgegenhaltung D1 wird ein Verfahren beschrieben, das zu der Substanz HFC-1234ze führt. Allerdings ist nicht erwähnt, in welchen Anteilen die Isomere E-HFC-1234ze und Z-HFC-1234ze vorhanden sind.
Die Prüfungsabteilung weist den Anspruch als nicht erfinderisch gegenüber der D1 zurück. Die Beschwerdekammer bestätigt die Zurückweisung. Weil die in der Beschreibung gewählte spezielle Bedeutung des Begriffs „H-HFC-1234ze“ nicht im Anspruch steht, wird der Anspruch mit der allgemein üblichen Bedeutung ausgelegt. Mit dieser allgemeinen Bedeutung ist der Anspruch aber nicht erfinderisch gegenüber der Entgegenhaltung D1.
Dagegen erhebt Du Pont Klage beim Gericht 1. Instanz. Dieses stellt zunächst fest, dass zwar aus dem Anspruchswortlaut nicht hervorgehe, dass E-HFC-1234ze der überwiegende Isomer der Zusammensetzung sei. Allerdings sei dieses Merkmal in der Beschreibung definiert und der Anspruch sei daher mit dieser Bedeutung zu lesen. Somit bestehe der Unterschied zwischen der Erfindung und dem Stand der Technik darin, dass die Aufteilung der Isomere angegeben sei. Mit diesem Unterschied habe sich die Beschwerdekammer nicht auseinander gesetzt. Deshalb sei der angefochtene Entscheid aufzuheben zur Neubeurteilung des Falles.
In der Berufung beim Beijing IP High Court wird das Urteil des Gerichts 1. Instanz aufgehoben und die Zurückweisung des Anspruchs bestätigt. Die Begründung ist folgende.
Bei der Auslegung der Bedeutung der Begriffe des Anspruchs ist zunächst von der in der Patentschrift angegebenen Definition, d.h. von der intrinsischen Evidenz auszugehen. Dies auch dann, wenn der Anspruch diese spezielle Bedeutung nicht explizit erwähnt. Falls aber die in der Beschreibung gegebene Bedeutung nicht klar ist, kann der Anspruch auf Basis des allgemeinen und üblichen Verständnisses der Fachwelt gelesen werden.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, wie der Begriff „E-HFC-1234ze“ im Anspruch ausgelegt wird. In der Fachwelt ist die normale und übliche Bedeutung, dass ein einziges Isomer von 1,3,3,3, tetrafluoropropene gemeint ist, bei welcher die Doppelbindung in der E-Typ Stellung ist. Wenn der Fachmann also den Begriff sieht, kann er die chemische Formel und Struktur der Substanz eindeutig angeben.
Dessen ungeachtet gibt die Beschreibung eine Bedeutung vor, nämlich eine Mischung aus E-HFC-1234ze oder Z-HFC-1234ze, bei welcher E-HFC-1234ze der überwiegende Teil ist. Für den Fachmann ist die Bedeutung dieser Definition in der Beschreibung nicht klar. Zwar argumentiert DuPont, dass das Wort ODER durch UND zu ersetzen ist. Allerdings ist eine solche Bedeutung im Widerspruch mit der Bedeutung des Begriffs in anderen Stellen der Beschreibung. Somit kann „oder“ nicht durch „und“ ersetzt werden.
Wenn die in der Anmeldung verwendete Bedeutung für den Fachmann nicht klar ist, kann zur Auslegung des Anspruchs die übliche und normale Bedeutung in der Fachwelt herangezogen werden. Da die übliche und normale Bedeutung für E-FHC-1234zz klar ist, wird der Anspruch mit dieser Bedeutung interpretiert. Im vorliegenden Fall führt das dazu, dass der Anspruch als nicht erfinderisch gegenüber D1 zurückzuweisen ist.
Anmerkung: Es ist nicht unüblich, dass der Anmelder in der Patentbeschreibung eine besondere Definition für die von ihm verwendeten Begriffe gibt. Auf diese Weise soll der Schutzbereich je nach Bedarf breiter oder spezifischer werden. Das Urteil zeigt, dass fehlende Klarheit in der gewählten Definition zu ernsthaften Problemen führen kann, weil letztendlich nicht die eigene Definition unterstellt wird, sondern eine andere, für den Anmelder ungünstige.